KAMPFSPORT

Kampfsport und Selbstverteidigung sind nicht das Gleiche. Beim Kampfsport geht es um sportliche Leistung und um den Wettkampf. Dabei gibt es Regeln. Selbstverteidigung hat das Ziel, sich in Bedrohungslagen im Alltag behaupten zu können. Dabei gibt es keine Regeln (außer dem Gesetz).

Natürlich nutzen auch Fähigkeiten aus Kampfsportarten in Alltagsbedrohungen und Auseinandersetzungen. Allerdings ist dies in der Regel recht eingeschränkt. In quasi keinem Kampfsport kämpft man gegen mehrere Gegner, gegen möglicherweise aggresive Gruppen. Ist es in vielen Kampfsportarten völlig legitim oder sogar letztlich das Ziel auf dem Boden zu kämpfen und dort „viel“ Zeit zu verbringen und den Gegner zum Aufgeben zu zwingen, so ist dies auf der Straße sehr gefährlich. Im Ring kommt niemand und tritt einem auf den Kopf. Auch zieht der Gegner nicht plötzlich ein Messer o.ä.

Dennoch haben Kampfsportarten oder weiter gefasst Kampfkünste eine sehr große Stärke: Sie vermitteln eine exzellente Basis. Diese Basis wird in vielen Selbstverteidigungs-Systemen per se nicht solide geschult (was letztlich aber auch immer von dem jeweiligen Trainer abhängt). Von einer guten Körperhaltung über Schlag- und Tritt-Techniken bis hin zur richtigen Atmung (uvm.), schulen Kampfsportarten den wirksamen Umgang mit dem eigenen Körper – ausgerichtet auf den jeweiligen Sport.

Diese Qualitäten aus verschiedenen Kampfsportarten machen wir uns zu Nutze. So betreiben wir etwas „Cherry Picking“, um Kernelemente verschiedener Kampfsportarten in unser Training zu integrieren. Daraus ziehen wir dreierlei Nutzen: Zum einen erhalten wir dadurch eine solide Basis. Zweitens lernen wir diverse Kampfsportarten kennen und erfahren, auf was wir uns grob einstellen können, sollten wir einem Kampfsportler in einer Auseinandersetzung gegenüber stehen. Und drittens erhalten wir so die Möglichkeit mittels Sparring Kampferfahrung zu sammeln. Unser Sparring ist allerdings selten ein reines regelbasiertes kampfsportmäßiges Sparring. Häufig integrieren wir im Sparring Kampfsport und Selbstverteidigung, um so möglichst nahe im dynamischen Kampf an reale Situationen heranzukommen.

Denn genau hier liegt die Krux von Kampfsport: Regeln. Kämpft man zu lange in Regelsystemen, wird das Befolgen der Regeln eine sehr starke Gewohnheit. Darin liegt eine große Gefahr, da in realer Auseinandersetzung unser Gegenüber die Regeln nicht befolgen wird und wir unser Potenziel nur ausschöpfen können, wenn wir uns nicht an Regeln halten.

Und eins ist klar: Boxer trainieren gegen Boxer, Kickboxer gegen Kickboxer, Muay Thai Kämper gegen Muay Thai Kämpfer, BJJ Leute gegen BJJ Leute etc. Mit „Cherry Picking“ werden wir niemals so gut boxen, wie ein guter Boxer. Doch ist das auch nicht unser Ziel.

Unser Ziel ist vielmehr das Überlisten habitualisierter Regeln und Verhaltensweisen, die spezifisch für Kampfsport sind. Kampfsport, bei dem man beispielsweise nicht die Augen oder den Genitalbereich angreifen darf. Und bei dem man auch nicht einfach einen Barhocker zur Unterstützung heranziehen kann. Genau genommen auf noch viel mehr: Wir müssen vorbereitet auf Amateure, Hobby-Schläger, Verrückte, Drogenabhängige, Vergewaltiger, bewaffnete Gegner und – so traurig das auch ist – u.a. aggressive Gruppen sein.